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Leonid Farnin

10 Jahre KINOR: Der Mensch im Mittelpunkt

Jüdisches Leben in Gelsenkirchen
Im November 2000 wurde der Jüdische Kulturverein KINOR in Gelsenkirchen gegründet. Die neue Organisation sah sich als eine Alternative zur örtlichen Jüdischen Gemeinde, mit der viele Gelsenkirchener Juden unzufrieden waren und immer noch sind.
Für seine vielseitige Tätigkeit wurde der Verein mit dem bundesweiten Preis «Aktiv für Demokratie und Toleranz» ausgezeichnet. Mit einigen Aspekten dieser Tätigkeit wie auch mit der Philosophie von KINOR kann man sich im 2009 herausgegebenen Buch „Kulturverein KINOR - Jüdisches Leben in Gelsenkirchen mal anders“ bekannt machen.

Heute sucht der Verein neue Ideen, neue Visionen, neue Formen seiner Arbeit, engagiert sich in politischen, sozialen und kulturellen Bereichen - unterstützt z. B. das Projekt „Stolpersteine in Gelsenkirchen“, kooperiert sich weiter mit dem Musiktheater im Revier usw.

Trotz seines hochrangigen gesellschaftlichen Engagements hat KINOR genauso wie viele jüdische Vereine in Deutschland einen sehr schweren Stand. Elena Gubenko, Vorsitzende des Vereins, beschreibt diese Situation in einem ihrer Artikel.

Im Juni 2010 haben Mitglieder und Kooperationspartner des Vereins das o.g. Buch „Kulturverein KINOR - Jüdisches Leben in Gelsenkirchen mal anders“ im Gelsenkirchener Bildungszentrum präsentiert. Außerdem berichteten die Vertreter der Vereinen KINOR und Forum für die Zukunft des Judentums in Deutschland (sie kamen aus verschiedenen Städten) über die alarmierend beunruhigende Situation in jüdischen Gemeinden Deutschlands – das war auch ein wichtiges Statement der Veranstaltung.

Als Ergebnis dieser Veranstaltung wurde ein Artikel entstanden, der in der örtlichen Wochenzeitung „Stadt Spiegel“ erschien ist. Zum 10-jährigen Bestehen des Vereines KINOR möchten wir nun diesen Artikel veröffentlichen.

                                                                                                      Leonid Farnin

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Wir gratulieren dem Kulturverein KINOR zum 10-jährigen Jubiläum
und wünschen viel Erfolg

                                                                                                           Redaktion

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Der Mensch im Mittelpunkt,
nicht die Religion

Der jüdische Kulturverein KINOR möchte Netzwerke schaffen weit über Gelsenkirchen hinaus
Dieser Weg wird kein leichter sein. Dieser Weg wird steinig und schwer. Nicht mit vielen wirst du dir einig sein. Doch dieser Leben bietet so viel mehr.“ heißt es in „Dieser Weg“ von Xavier Naidoo und irgendwie steht „Dieser Weg“ auch ein wenig für den, den die deutsche Jüdin mit russischen Wurzeln Elena Gubenko für sich eingeschlagen hat.

Elena Gubenko und andere Mitglieder von KINOR waren auch mit einem Stand beteiligt am Tag der Integration im Rahmen der Local Heroes Woche in Gelsenkirchen.                                                                    Foto: Ralf Nattermann

VON SILKE SOBOTTA

GE. Die Gelsenkirchenerin Elena Gubenko ist die Vorsitzende des Jüdischen Kulturvereins Gelsenkirchen e.V. KINOR, der in lockerer Gemeinschaft seit 1993 besteht und im Jahr 2000 offiziell gegründet wurde. „Kinor“ ist ein uraltes Musikinstrument, entsprechend einer kleinen Harfe, auf der König David gespielt haben soll. Mit diesem Instrument sollen nach kabbalistischer Auslegung die Seele und der Gottesname anklingen (Tehillim II, 395). Die Wahl des Namens zeigt, dass KINOR sich nicht gegen die Religion stellen will, aber ihr voran den Menschen stellt.

Das bedeutet naturgemäß auch ein „Anecken“ an die traditionell-orthodoxe Jüdische Gemeinde Gelsenkirchen, deren Mitglied Elena Gubenko ist. Dabei liegt die Intention des Kulturvereins viel mehr darin, sich zu öffnen für die Menschen, jüdischen ebenso wie nicht-jüdischen.

Darum ist KINOR auch längst keine Gelsenkirchener „Einrichtung“ mehr, sondern gewachsen zu einem global agierenden Netzwerk von Menschen, die gleicher Ansicht sind und die gleichen Ziele verfolgen.

„Der Holocaust hat die jüdische Kultur und auch ihre geistige Elite in Deutschland zerstört. Vor dem Krieg gab es auch hier in Gelsenkirchen eine größere Vielfalt an jüdischem Leben. Es gab die Gemeinden und daneben Vereine, in denen man sich traf und austauschte. Das ging verloren. Den Neuaufbau jüdischen Lebens darf man aber nicht dogmatisieren, man muss es mit Leben füllen“, wünscht sich die Gelsenkirchenerin.

Die KINOR-Bewegung sieht sich auf Distanz zu den jüdischen Gemeinden und auch zum Zentralrat der Juden, sieht aber die Fehler nicht in diesen Instanzen, sondern vor allem in der Nachkriegspolitik, die „um Wiedergutmachung bemüht“ Schritte einleitete, die noch heute Gültigkeit haben und die Gemeinden zu „Inseln“ im gesellschaftlichen Leben erheben: Entweder man gehört zu ihnen und profitiert davon oder man stellt sich gegen sie und „verhungert“ am ausgestreckten Arm.

„Die Gelsenkirchener Gemeinde ist, unserer Betrachtung nach, geografisch und mental eine geschlossene Struktur, wir wollen aber in Zeiten der Globalisierung nicht im Dorfsaft schmoren, sondern über den Tellerrand schauen und sehen, was sich entwickelt hat und entwickeln kann“, ist das Bestreben von Elena Gubenko.

Und darum beweist KINOR seit vielen Jahren, was er bewegen kann auch ohne finanzielle Unterstützung durch die Gemeinde.

Dabei ist der gebürtigen Ukrainerin ein guter Vortrag über das Judentum sehr viel wichtiger als ein in einem dazu errichteten Gebäude durchgeführtes Ritual nach dem alten jüdischen Ritus.

Die umtriebige Gelsenkirchenerin wurde nicht müde, Kontakte zu knüpfen. So gibt es seit langem Gespräche, zum Beispiel mit den Falken, mit der Bleckkirche, mit dem Migrantenzentrum und ebenso mit dem Fachbereich Soziales der Stadt und hier der interkulturellen Koordination.

An den Veranstaltungen, die KINOR in Gelsenkirchen durchgeführt hat, haben bereits häufig jüdische Künstler aus aller Welt teilgenommen. Der Verein setzt sich ein für kreative Kinder- und Jugendarbeit ein mit Museumsbesuchen, Kreativveranstaltungen, Kulturveranstaltungen und vielem mehr.

Denn die Diplom-Architektin, die in der Zeit der Liberalisierung der Sowjetunion zur Kunstlehrerin umsattelte, sieht die Zukunft in den Händen der Kinder: „Die Jugend hat das Kämpfen gelernt, sie muss es nur wollen.“

Kürzlich hat KINOR eine Dokumentation seiner Arbeit in Buchform herausgegeben unter dem Titel „Kulturverein KINOR - Jüdisches Leben in Gelsenkirchen mal anders“. Zur Präsentation des Buches fanden sich zahlreiche MitstreiterInnen und Unterstützer Elena Gubenkos auf ihrem „steinigen und schweren Weg“ ein.